Cool, hip, bunt, neu? Messen werden zu „Messtivals“
Messen vollziehen seit ein paar Jahren einen Wandel, um die Exklusivität des Erlebens zu halten. Sie werden cooler.
US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel ließen sich 2016 auf der Hannover Messe sehen, US-Schauspieler Christopher Lloyd sah man auf der German Comic Con, Künstler David Hockney besuchte die Frankfurter Buchmesse, Dorothee Bär, Jan Böhmermann und Nico Rosberg waren im vergangenen Jahr bei der Dmexco in Köln. Messen versuchen, mit solch prominenten Gästen ihre Attraktivität zu steigern. Ihr Erscheinen alleine reicht aber heute nicht mehr, um eine Messe wirklich zum Erfolg zu führen. Es geht um kreative Vorträge, angeregte Diskussionen am Stand, guten Kaffee, um innovative Messestände und eine lupenreine Organisation. Ein schlechtes Konzept kann heutzutage eine ganze Messe killen. Prominentes Beispiel: Die CEBIT in Hannover.
Deshalb werden diese immer mehr zu „Messtivals“ - Messen mit Festival-Charakter. Heute gestalten Veranstalter ihre Messe nach dem Prinzip des offenen und interaktiven Austauschs. Sie wollen eine lockere Atmosphäre erschaffen, in der Außergewöhnliches präsentiert wird. Als Vorbild und Inspirationsquelle gilt die weltweit führende Veranstaltung dieser Art: die South by Southwest (SXSW) in Austin, Texas.
Messen in Deutschland
Schauen wir nach Deutschland: Messen gehören gerade in Deutschland nach Einschätzung der AUMA, Verband der deutschen Messewirtschaft, zur Markenidentität. Ein paar Zahlen: Unter den 15 größten Messegesellschaften weltweit, nach dem Umsatz gemessen, sind sieben deutsche, darunter mit der Messe Frankfurt (Umsatz rund 715 Millionen Euro) der nach eigenen Angaben internationalste Messeplatz weltweit. Das Messegelände in Hannover ist mit über 463.000 Quadratmetern Bruttoausstellungsfläche das größte weltweit. In 2018 gab es zwischen 160 und 180 internationale und nationale Messen in Deutschland mit 180.000 Ausstellern und 10 Millionen Besucher*innen.
Es ist also ein gesunder Markt, der sich neu positioniert, um mit der Digitalisierung Messetrends zu etablieren und die junge Zielgruppe zu begeistern.
Wie müssen sich Messen verändern, damit sie weiterhin attraktiv für Anbietende und Nachfragende sind? Wenn sich Messeveranstalter*innen inhaltlich und formatartig neu gestalten, geht dies auch teilweise mit einer bewussten Umbenennung einher. Die CEBIT wurde kurz vor ihrem Untergang noch einmal zum „Digital-Festival“ und die Online-Marketing-Rockstars sind seit ein paar Jahren das OMR Festival.
Messen, die zu Festivals werden
Die bewusste Veränderung, die auf vielen Messen wahrnehmbar ist, ist die komplette Veränderung des klassischen Messeformats in Richtung Kongress und Event. Es gibt ein sich veränderndes Bedürfnis auf Nachfrageseite als auch eine sich verändernde Zielsetzung auf Seite der Anbietenden. So sind Besucher*innen heute nicht mehr nur passiv auf dem Messegelände, sondern fungieren als aktive Teilnehmer*innen. Vor allem durch die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung und Virtualisierung werden die Offlinewelt und die Onlinewelt in einer Messehalle miteinander verknüpft. Themen wie Big Data, Smart Home, Augmented- und Virtual Reality, Gamification, Sharing Economy, Marketing Automation, Biometric Events und Roboting sind, wie die Besucher*innen auch, außerhalb von Digitalmessen wichtig. Denn mit zum Beispiel Augmented Reality können Messestände zum Leben erweckt werden. So lässt sich die junge Zielgruppe perfekt ansprechen, und zwar nicht nur mit einem auf etlichen Messen anzutreffenden humanoiden Roboter Pepper. Was ist noch wichtig um das Festival-Feeling auf die Messe zu bekommen? Bei den OMRs gibt es Foodtrucks, um die Besucher*innen in der Mittagspause kulinarisch zu verwöhnen, Masterclasses für den kleineren Expertenaustausch, Guided Tours, um direkt Aussteller anzusteuern, die zur jeweiligen Thematik der Tour passen, und das Konzert am Abend. Das hat Tradition. In den vergangenen Jahren sorgten am ersten Expo-Tag bekannte Musiker und DJs wie Lars Eidinger, Oli P. oder die Absoluten Beginner für ordentlich Stimmung.
Auch die re:publica, die vom 6 bis 8. Mai in Berlin stattfindet, und die Bits & Pretzels während des Oktoberfestes gehören mit zu den Event-Messen. Die diesjährige re:publica beginnt mit einer Rede des Bundespräsidenten, wird dann zur Konferenz mit Keynotes von zum Beispiel Audrey Tang, Taiwans Digitalministerin und ehemalige Hackerin, oder ESA-Astronaut Alexander Gerst. Neu ist die re:cruiting area, in der es verschiedene Formate zur Vernetzung von potenziellen Arbeitgeber*innen und Bewerber*innen geben wird. Man merkt: Stillstand gibt es bei diesen Veranstaltungen nicht.
Die Bits & Pretzels ist eine dreitägige Konferenz für Gründer*innen und Interessierte. Hier geht es weniger um Ausstellungen als mehr um Keynotes, Workshops und Startup-Wettbewerbe – das alles mit Weißwürsten und Brezen. Zum Abschluss darf eine Session auf dem Oktoberfest nicht fehlen.
Konzert, Party, Alkohol und ganz viel Show?
Halb, halb. Denn Unternehmen wie OTTO, Facebook, Google, Ströer, Axel Springer oder Adobe zeigen auf den unterschiedlichen „Festivals“ gerne ihre Produkte, informieren über Neuigkeiten oder recruiten neue Mitarbeiter*innen. Im vergangenen Jahr strömten zu den Online Marketing Rockstars 40.000 Fachbesucher*innen, bei der re:publica lauschten die Gäste 929 internationalen Speaker*innen aus 65 Ländern auf 20 Bühnen. Messen sind Shows mit Inhalt. Auch heutzutage ändert sich daran nur, dass Teilnehmer*innen mehr einbezogen werden und noch mehr erleben können.
Um die Anfangsfrage erneut aufzugreifen: Warum verändern sich Messen? Weil die Digitalisierung sie dazu bringt, neue Wege und neue Ideen auszuprobieren.