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Verschlafen wir die Digitalisierung, weil es uns zu gut geht?
Kultur

Verschlafen wir die Digitalisierung, weil es uns zu gut geht?

Stotterstart im Wirtschaftsboom: Wie die digitale Evolution in Deutschland jetzt unterstützt werden muss.

23.10.2018 Autor Martin Frommhold Lesedauer: 3 Minuten
Ein kurzer Schnack mit Prof. Dr. Henning Vöpel, Direktor des HWWI, über die Tücken der digitalen Transformation – und wie diesen begegnet werden könnte.

Das Hamburger WeltwirtschaftsInstitut (HWWI) beschäftigt sich mit Zukunftsfragen der zunehmend global funktionierenden Gesellschaft. Wie entwickeln sich Märkte? Welche Risiken bringt die zunehmende Staatsverschuldung mit sich? Oder wie wirkt sich die Digitalisierung auf unsere Gesellschaft und Unternehmen aus? Ein großes Thema, das in Deutschland gleichwohl nicht so richtig ins Rollen zu kommen scheint. Dazu drei Fragen an den Direktor des HWWI, Prof. Dr. Henning Vöpel:

Wiesteht es um Deutschlands Fortschritte im Bereich Digitalisierung im Vergleichzu den anderen großen Handels- und Industrienationen?

Wir sind nicht besonders weit auf demWeg der digitalen Transformation. Ein Grund dafür ist die hierzulande seitvielen Jahren sehr gute Konjunkturlage, die den Veränderungsdruck in Wirtschaftund Gesellschaft eher gering erscheinen lässt. Uns geht es - überspitzt gesagt- noch zu gut. Insofern müssen wir zunächst die Vermögensillusion, so nenne iches immer, durchbrechen, um agiler zu werden. Denn die digitale Zukunft funktioniertnach ganz anderen Ordnungsprinzipien. Wir erleben schon heute, dass Branchenzusammenwachsen und kollaborativ arbeiten müssen. Schon in fünf Jahren stehtdadurch aber vielleicht die Wettbewerbsfähigkeit derzeit nochselbstständig agierender Wirtschaftszweige auf dem Spiel. Das kann Auswirkungen auf Arbeitsverhältnissehaben, vielleicht zu einer anderen Art der Wertschöpfung oder sogar zu Wohlstandslückenführen – und diese Risiken gilt es frühzeitig zu antizipieren, um sie möglichstzu minimieren. Wir müssen also jetzt, wo es uns gut geht, Geschwindigkeitaufnehmen und Maßnahmen entwickeln. Das ist sicher nicht leicht, aber hier mussdie Politik entsprechend Druck machen. Auch die Unternehmen selbst müssenerkennen, dass jetzt und nicht erst in ein paar Jahren die Grundsteine für die Wettbewerbsfähigkeitin den nächsten 20 bis 30 Jahren gelegt werden.

„Der Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit in einigen Branchen stehen auf dem Spiel, wenn wir bei der digitalen Transformation keine Geschwindigkeit aufnehmen“

Henning Vöpel

InIhren Worten klingt auch mit, dass die Digitalisierung die Gesellschaftverändern wird. Wie wird das aussehen?

Einerseits sprechen wir über technologischeVeränderungen, die tradierte Geschäftsmodelle disruptieren. Andererseits muss derdamit verbundene Kulturwandel vorangehen und gestaltet werden. Und das gilt fürdie Gesellschaft insgesamt. Wir arbeiten und kommunizieren doch heute schonanders miteinander als noch vor 15 Jahren, was sich auch auf menschlicheBeziehungen auswirkt. Insofern muss der Umgang mit der fortschreitenden Digitalisierungimmer wieder neu gelernt werden, womit wir im Bereich der Bildung undAusbildung gelandet sind. Die Geschwindigkeit des digitalen Wandels ist sogroß, dass sich ganze Berufsbilder komplett wandeln. Um damit Schritt halten zukönnen, braucht es neben einer leistungsfähigen technischen Infrastruktur eineAnpassung unserer Bildungssysteme, um den Umgang mit digitalen Medien zu schulensowie Zukunftskompetenz aufzubauen. Das Wissen darum, wie Algorithmen unserLeben beeinflussen oder soziale Netzwerke funktionieren, ist eben nichttrivial, sondern elementar im digitalen Alltag.

„Digitaler Wandel kann auch Spaß machen - und das müssen wir zeigen“

Henning Vöpel

Wie können gerade Traditionsunternehmen wie OTTO alle Mitarbeiter auf dem Weg der digitalen Transformationen mitnehmen?

Die digitale Transformation ist ein Weg,den ohnehin jeder gehen muss, was aber mit Spaß an der Sache definitiv leichterwird. Das bedeutet „Lust auf Veränderung“, gerade auch in Unternehmen, umMenschen nachhaltig zu motivieren und mitzunehmen. Digitalisierung sollte nichtals Gefahr verstanden werden, die es abzuwehren gilt oder durch die Bedrohungenentstehen. Stattdessen müssen die Chancen in den Mittelpunkt gerückt werden. Wir müssen Digitalisierungals Werkzeug nutzen, um Produkte und Services besser, attraktiver, einfachernutzbar zu machen. Auch das Arbeitsleben selbst kann die Digitalisierung vielangenehmer gestalten. Veränderung kann auch Gewohnheitstieren Spaß machen, wenndie Rahmenbedingungen stimmen. Und daran mitzuwirken und Zukunft gestalten zu können ist einPrivileg. Das müssen wir immer wieder zeigen.

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