Wie effektiv ist es, wenn Chef und Mitarbeiter zusammensitzen?
Ab jetzt keine Lästereien mehr über die Führungskraft? Wenn Führungskräfte zu ihren Mitarbeitern „auf die Fläche" ziehen, beginnt die Sorge um eine sich verändernde Kommunikation. Zwei Experten schätzen die Lage ein.
Wie sieht für dich das perfekte Büro aus? Pastellfarben oder knallbunt, mit bequemen Möbeln, viel Holz oder doch Glas? Großraum- oder kleines Einzelbüro? Fragt man Arbeitspsychologe Max Neufeind, ist das beste Büro der Welt vor allem eines: vielfältig. „Idealerweise würde man eine Fläche bauen, auf der unterschiedliche Menschen unterschiedlichen Arbeitsweisen nachgehen können. Es gibt Mitarbeiter, die brauchen eine Gruppendynamik und es gibt welche, die gerne im geschlossenen Raum arbeiten. Die größte Herausforderung ist die, für verschiedene Bedingungen funktionale Räume zu gestalten, um unterschiedlichen Tätigkeitsformen nachgehen zu können." Bedeutet also: Der Chef, genauso wie die Mitarbeiter, können sitzen, wo sie sich wohlfühlen und was zu den jeweiligen Arbeitsaufgaben am Tag passt.
Heute geschieht Führung aus der Mitte des Unternehmens
Was benötigt Führung heute? Vor allem braucht es Vernetzung, Austausch und Kontakt zu möglichst vielen Teilen des Unternehmens. Damit ist es nur folgerichtig, dass Führungskräfte auch in der Mitte des Büros sitzen und arbeiten. Das Zauberwort nennt sich „Aktivitätsbasiert." „Je nach gerade anfallender Aufgabe sucht man sich den am besten geeigneten Platz im Büro. Dazu kommt: Vorbildwirkung ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Etablierung neuer Arbeitsformen", weiß Franz Kühmayer. Er ist Experte für das Thema „Zukunft der Arbeit" und arbeitet als Trendforscher am Zukunftsinstitut, dem führenden Thinktank der Zukunftsforschung mit Sitz in Frankfurt. Für ihn steht fest, dass nicht der hierarchische Status oder die Position darüber entscheidet wo man sitzt, sondern die konkrete Tätigkeit im Laufe des Tages.
Vorbildwirkung ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Etablierung neuer Arbeitsformen
Konzentriertes, leises Arbeiten alleine? Oder doch vertrautes Zweier-Gespräch? Ein Video-Call oder das Kunden-Meeting? Für alles gibt es einen Raum. Der wichtigste Unterschied zur altbackenen weißen Bürolandschaft: Flächen, die Vielfalt bieten und alle Bedürfnisse der Mitarbeiter erfüllen – ähnlich wie in der eigenen Wohnung. Und so braucht der Chef kein abgegrenztes Büro mehr, weil er von überall arbeiten kann. „Damit stellt sich akut die Frage, wozu wir noch ins Büro gehen. Dafür gibt es natürlich weiterhin sehr gute Gründe, bloß liegen die nicht mehr in der Produktivität des Einzelnen, sondern in der Zusammenarbeit mit anderen. Wir treffen einander im Büro für Austausch, Kommunikation, Teamwork in Projekten. Das gilt ganz besonders für Führungskräfte, deren Arbeitsalltag ja besonders stark von diesen Aspekten geprägt ist" , sagt Kühmayer.
Wie hoch ist das Konfliktpotenzial?
Es scheint fast so, als wirke sich die Zusammenkunft der unterschiedlichen Hierarchien auf die Gruppendynamik aus. Arbeitspsychologe Max Neufeind unterscheidet dabei allerdings zwei Dinge: „Erstens ändert sich die Rolle der Führungskraft gerade massiv. Ein Chef, der einsam an der Spitze steht, Expertise, Wissen und Entscheidungsgewalt auf eine Person vereint, die Zeiten sind tendenziell vorbei. Die Rolle von Führungskräften ist eher die, Prozesse anzustoßen, ein Gefühl dafür zu bekommen wie bestimmte Gruppendynamiken laufen, dort auch gegenzusteuern und darauf einzuwirken.” Für Neufeind macht eine Abschaffung der Einzelbüros Sinn, wenn andere Raumkonzepte entstehen: „Zweitens müssen die Mitarbeiter die Chance haben, auch mal offen und frei über den Chef sprechen zu können. Das kann durchaus etwas Reinigendes haben." Seien wir ehrlich: Jeder Mitarbeiter benötigt hin und wieder den Raum und die Zeit Klatsch und Tratsch auszutauschen, oder über den Chef reden zu können. Für Neufeind ist diese Art der Kommunikation wie ein sich lösendes Gewitter. „Danach kann man produktiv weiterarbeiten. Den Raum sollte man den Mitarbeitern geben." Man sollte keine Situation der übermäßigen sozialen Kontrolle entstehen lassen, so Neufeind.
Es gibt Mitarbeiter, die brauchen eine Gruppendynamik und es gibt welche, die gerne im geschlossenen Raum arbeiten
Nun geben die OTTO-Vorstände in der neuen Zentrale ihre Einzelbüros auf. „Um als gutes Beispiel voranzugehen und zu zeigen, dass wir unsere FutureWork-Vorhaben ernst nehmen, geben nicht nur immer mehr Führungskräfte ihre Büros auf, sondern auch wir Bereichsvorstände“, sagt Katy Roewer, OTTO-Bereichsvorstand Service & Personal. Das multifunktionale Raumkonzept kann laut der zwei Experten funktionieren, wenn sich die Führungskraft wie der Mitarbeiter ortsflexibel den passenden Platz für ihre jeweilige Tagesaufgabe suchen können. So wird also dann das perfekte Büro aussehen. Einen Einblick kann OTTO schon geben. Hier haben sich in den vergangenen Jahren die Räumlichkeiten gewandelt, pastellfarben, knallbunt, mit bequemen Möbeln, viel Holz, vielfältig. Aber sieh selbst: