Die Transformation zur Plattform: „Wir wollen niemanden kopieren“
Was bedeutet die Neuausrichtung für die Inszenierung der Marke OTTO? Das erklären Marc Opelt und Alexander Rohwer im Gespräch
Hallo Marc, hallo Alexander. Wohl die wichtigste Frage direkt: Will otto.de zu einer Plattform für alles werden?
MARC OPELT: Wir konzentrieren uns in den nächsten Monaten sehr darauf, die bestehenden Sortimente Home & Living, Mode und Unterhaltungselektronik auszubauen. Und langfristig werden wir die Sortimente aus allen Lebensbereichen anbieten. Und gut geplant geht es weiter. Wir wollen niemanden kopieren, sondern unseren eigenen Weg gehen und die Alternative im E-Commerce sein, die es lange nicht gab. Schließlich hat sich was beim Einkaufsverhalten getan. Es geht vielen Kunden nicht mehr nur um den besten Preis. Vielmehr wollen die Menschen wissen, wo und wie die Produkte hergestellt werden, wie mit ihren Daten umgegangen wird. Die Marke OTTO steht für einen fairen Umgang mit Mensch und Natur, wir legen Wert auf den persönlichen Kontakt zu Kunden und Partnern. Und Themen wie Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung gehören traditionell zum Wertekanon des Unternehmens – daran halten wir auch als Plattform fest.
Wie sehr muss sich also die Marke otto.de verändern? Reicht das bisher über die Werbung aufgebaute Profil auch für die neue Plattform-Rolle aus?
ALEXANDER ROHWER: Bisher waren wir eine Händlermarke. Jetzt entwickeln wir aber nicht nur unser Geschäftsmodell, sondern auch unsere Marke in Richtung Plattform weiter. Und das sind ganz neue Herausforderungen für unsere Markenarbeit. Vergangenes Jahr haben wir uns deshalb sehr intensiv angeschaut, welche Stärken OTTO heute hat, und wo wir in Zukunft Differenzierungsmöglichkeiten zu anderen Marktteilnehmern sehen. Daraus haben wir eine neue Markenpositionierung geschaffen, die auf drei Werten aufbaut: Fair, persönlich und inspirierend. Das funktioniert als Wertesystem nicht nur für eine Plattform, sondern hat auch eine hohe Relevanz im Markt. Wir haben über 30 Marketingkanäle und in denen muss das neue Selbstverständnis der OTTO-Plattform sichtbar werden. Jetzt müssen wir es schaffen, OTTO auf einer Meta-Ebene interessanter zu machen.
Braucht es auf der kreativen Ebene neue Impulse, die die Plattform-Marke OTTO definiert?
ROHWER: Selbstverständlich ist dabei eine gute Kreativkampagne für die Markenwahrnehmung relevant. Mit dem abstrakten Konzept einer Plattform tut sich der Kunde eher schwer. Aber er wird bemerken, dass sich OTTO in eine neue Rolle hinein entwickelt, das Sortiment deutlich größer geworden ist und viel mehr Marken und neue Services angeboten werden.
Wie viel Zeit bleibt denn, mit Blick auf das neue Wettbewerbsumfeld?
OPELT: Unser Zeitfenster ist sicher nicht unendlich, aber wir sind daran gewöhnt, mit Konkurrenzdruck umzugehen. Und wir haben ja bereits einige neue Wettbewerber auf dem deutschen Markt begrüßen dürfen. In vielen Fällen hat sich aber gezeigt, dass der Weg wirklich lang ist von „Ich habe eine nie da gewesene Innovation“, über die Herausforderung diese marktfähig zu gestalten und Reichweite sowie Bekanntheitsgrad aufzubauen. Nichtsdestotrotz haben wir Respekt vor der Konkurrenz. Wir schauen uns zum Beispiel sehr genau an, was Alibaba in China und im Rest der Welt macht.
ROHWER: Für einige Marken und Marktbegleiter war es vor Kurzem sehr angesagt, sich plötzlich Plattform zu nennen. Aus unserer Sicht verbergen sich hinter diesem Begriff aber neben einer großen Anspruchshaltung auch diverse Versprechen in Richtung Kunden, Marken und Partner, die auf der Plattform aktiv werden sollen. Daraus resultiert ein notwendiger Umbau des Geschäftsmodells – und dieser ist in der Praxis eben nicht einfach.
Kommen wir zum Partner. Wie viele Inszenierungsmöglichkeiten bekommen diese auf der Plattform?
ROHWER: Wir wollen Herstellern und Händlern die Möglichkeit geben, sich wesentlich individueller und passender zu ihrer Marke darzustellen, als es vielleicht anderswo möglich ist. Dazu haben wir unser Partnerportal Brand Connect als Schnittstelle entwickelt, über das sich die Partner in Zukunft anbinden sollen. Für den Aufbau der Markenshops auf otto.de gibt es modulare Bausteine, die der Partner nach eigenem Belieben gestalten kann. Noch offen ist die Frage, welche Flächen wir auf otto.de zur Verfügung stellen bzw. welche wir selbst nutzen wollen. Wir testen gerade auf Brand Connect gemeinsam mit ausgewählten Partnern, darunter adidas, s.oliver und liebeskind, was für die Marken und für uns wichtig ist.
Das Kennzeichen einer Plattform ist auch, dass es Services gibt, die der einzelne Händler so nicht bieten kann. Welche Services sind bei OTTO verfügbar?
OPELT: Wir werden unsere Servicewelten noch weiter ausbauen. Für Partner und den Endverbraucher. Mit OTTO UP haben wir zuletzt sämtliche Kundenvorteile und Services gebündelt und eine Liefer-Flat eingeführt. Für Partner arbeiten wir an neuen technologischen Möglichkeiten. Etwa im Bereich Internet of Things. Hier schaffen wir mit OTTO ready eine Verbindung zwischen smarten Haushaltsgeräten und otto.de. Das ist interessant für Marken, die Zusatzprodukte für Kaffee-, Spül- oder Waschmaschinen anbieten. Sie landen direkt im Relevant Set der ersten Smart Home Nutzer. Hier arbeiten wir also an einem attraktiven digitalen Schaufenster für Marken und Händler. Am Ende des Tages geht es um das Gesamtbild des Einkaufserlebnisses, nicht um einzelne Services oder Technologien. Es soll Spaß machen bei OTTO einzukaufen, es soll inspirierend und einfach sein und ein zufriedenes Gefühl bei den Menschen hinterlassen.
ROHWER: Insofern spiegeln unsere drei Markenattribute ‚fair‘, ‚persönlich‘ und ‚inspirierend‘ auch immer den hohen Anspruch wider, der hinter den aktuellen Entwicklungen steht. Diese Markenattribute verkörpern also das, was die Wahrnehmung der Marke OTTO in Zukunft entscheidend prägen und zum Kauf bei OTTO einladen soll.
Kann die Plattform otto.de auch zum Werbemedium der Markenkommunikation ihrer Partner werden?
OPELT: Das machen wir heute schon. Für einige Partner vermarkten wir Werbeflächen im großen Stil. Zuletzt konnten wir etwa mit dem Computerunternehmen Acer große Erfolge feiern. Die Kampagne „Play the Game Harold“ erreichte 24 Millionen kanalübergreifende Views und steigerte den Abverkauf der Produkte um 72 Prozent.
Woran arbeitet ihr zurzeit?
OPELT: Im Moment arbeiten wir mit Hochdruck am Ausbau unserer Plattform-Fähigkeiten. Speziell im Onboarding neuer Partner möchten wir noch schneller werden – und das werden wir schon sehr bald sein.