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Stromfresser IT? Wie Programmieren grün wird
Technologie

Stromfresser IT? Wie Programmieren grün wird

Mit Sustainable Programming und Green IT zur nachhaltigen digitalen Infrastruktur

12.01.2023 Autorin Verena Kolb Lesedauer: 5 Minuten
Die digitale Transformation ist im vollen Gange, Technologie bestimmt unseren privaten und beruflichen Alltag. Je vernetzter und smarter wir jedoch werden, desto weiter wächst der Energieverbrauch der digitalen Infrastruktur. Damit auch Unternehmen ihrer ökologischen Verantwortung nachkommen können, ist ein Umdenken in den IT-Abteilungen erforderlich. Wie „Green IT“ aussehen kann und was sich hinter dem Begriff Sustainable Programming verbirgt, verraten die Tech-Expertinnen Melissa Kühn aus der Otto Group und Anja Luber vom IT-Unternehmen Otto Group Solution Provider (OSP)

Moin ihr beiden! Zum Einstieg erst einmal die Frage: Was genau steckt hinter den Begriffen Green IT und Sustainable Programming?

Anja Luber: Die beiden Begriffe werden umgangssprachlich meist synonym verwendet und sind nicht scharf voneinander abgrenzbar. Green IT umfasst jedoch grundsätzlich auch Hardware und Data Center, während Sustainable Programming in der Regel allein die Softwareprodukte beinhaltet. Bei beiden Begriffen geht es generell um IT-Lösungen mit möglichst geringen ökologischen Folgen. Um diese abzuschätzen, werden die durch den Betrieb entstandenen Treibhausgase betrachtet. Der verbrauchte Strom ist dabei ein relevanter Faktor: Dieser kann je nach Produkt und benötigter Speicher- oder Rechenkapazität einen enormen Einfluss auf den ökologischen Fußabdruck eines Unternehmens haben.

Wie geht ihr Sustainable Programming im eigenen Unternehmen an?

Melissa Kühn: In der Otto Group arbeiten wir an vier konkreten Projekten, um die Digitalisierung bei uns umweltfreundlicher zu gestalten: Das erste ist die Berechnung des Carbon Footprint. Die Otto Group IT berechnet bereits das dritte Jahr in Folge die CO2-Emissionen unserer digitalen Infrastruktur, also Hard- und Software sowie Netzwerke und Rechenzentren. Gleichzeitig haben wir Maßnahmen zur Reduzierung entwickelt und umgesetzt. Die verbleibenden Emissionen kompensieren wir in Zusammenarbeit mit einem externen Umweltdienstleister, beispielsweise durch die Investition in nachhaltige Umweltprojekte.

Seit November 2022 ist zudem die Carbon Footprint App für Mitarbeitende der Otto Group und OTTO verfügbar, die von IT-Kolleg*innen konzipiert und entwickelt wurde. Mithilfe der App können die Mitarbeiter*innen ihren persönlichen ökologischen Fußabdruck für sich transparent machen und tracken. Ziel ist es, den eigenen Footprint kontinuierlich zu reduzieren und das Thema Nachhaltigkeit im Handeln unserer Belegschaft zu verankern.

Unser digitaler Frühjahrsputz ist eine jährliche Aufräumaktion, bei der wir alle Mitarbeitenden der Otto Group dazu aufrufen, alte Dateien und E-Mails zu löschen und in Zukunft neuen Datenmüll soweit möglich zu vermeiden.

In unserer gruppenweiten Ethical AI Community treffen sich seit 2021 Data Scientists, Programmierer*innen und Datenschützer*innen, um konkrete Cases und ethische Herausforderungen im Kontext von Künstlicher Intelligenz (KI) zu diskutieren und von den Erfahrungen der anderen zu lernen. Dabei kann es sich zum Beispiel um die Nachvollziehbarkeit und Transparenz von algorithmischen Entscheidungen drehen.

Das klingt, als würde Green IT euren Arbeitsalltag stark beeinflussen?

Anja: Es gibt bereits sehr engagierte Teams, die sich aus eigenem Antrieb mit dem Thema beschäftigen und Nachhaltigkeitskriterien in ihre Arbeit einfließen lassen. Jetzt gilt es, noch mehr Kolleg*innen zu erreichen, ihnen Wissen zu vermitteln und sie entsprechend zu befähigen. Dafür bauen wir gerade Trainings- und Informationsangebote auf und erarbeiten gemeinsame Standards, die nachhaltig wirken sollen.

Melissa Kühn Unternehmen müssen zunächst die CO2-Emissionen ihrer digitalen Infrastruktur erheben und bestmöglich reduzieren.

Melissa Kühn , CR Managerin Society - Digital Responsibility, Otto Group Holding

Was können Tech-Unternehmen generell tun, um das Thema Nachhaltigkeit in der IT voranzubringen?



Melissa: Unternehmen müssen zunächst die CO2-Emissionen ihrer digitalen Infrastruktur erheben und bestmöglich reduzieren. Darüber hinaus ist es oft umweltfreundlicher, Daten in der Cloud zu speichern, da dort viele Prozesse skaliert und zentral optimiert werden können.

Zusätzlich geht es darum, abteilungsübergreifend das Bewusstsein für das Thema zu schärfen. Das gilt auch für die Fachbereiche, die ja oft die Auftraggeber*innen und Anwender*innen der Softwarelösungen sind. Hier muss ein Verständnis für umweltfreundliches Programmieren geweckt werden, damit sie verstehen, weshalb sie ggf. auch mal eine andere Lösung als die geplante akzeptieren müssen.

Projekte wie unsere CO2-App oder der digitale Frühjahrsputz können Unternehmen dabei helfen, die Datenspeicher im gesamten Unternehmen zu reduzieren. Dafür kann es auch nötig sein, Anpassungen von internen Richtlinien und IT-Einstellungen vorzunehmen, die bislang unnötige Datenaufbewahrung erfordern. Zuletzt geht es auch darum, Anreize für die längere Nutzung von Hardware und ihre Wiederverwendung zu schaffen – entweder innerhalb des Unternehmens, als Sachspende oder in Kooperation mit Partnern.

Was denkt ihr, wohin geht die Reise in der Green IT?

Anja: Ich hoffe stark, dass wir – und damit meine ich alle Softwarehersteller wie OSP – um das Thema Green IT in Zukunft nicht mehr herumkommen werden. Ich könnte mir vorstellen, dass Nachhaltigkeitsaspekte eine feste nicht-funktionale Anforderung in der Softwareentwicklung werden, ähnlich wie beispielsweise Security oder Performance.

Anja Luber Ich könnte mir vorstellen, dass Nachhaltigkeitsaspekte eine feste nicht-funktionale Anforderung in der Softwareentwicklung werden, ähnlich wie beispielsweise Security oder Performance

Anja Luber , Data Analystin im Bereich Logistik, Otto Group Solution Provider

Melissa: In der öffentlichen Debatte werden konkrete Maßnahmen, um den Fußabdruck der digitalen Infrastruktur zu reduzieren, leider noch zu selten diskutiert. Wir müssen dahinkommen, dass wir nicht nur gute Lösungen entwickeln, sondern sie auch bekannt machen, damit wir diese Herausforderungen als Gesellschaft gemeinsam meistern können.

Im Feld Sustainable Programming gibt es bisher wenige öffentliche Initiativen. Hier sehe ich großes Wachstumspotenzial für die Zukunft. Ich wünsche mir, dass Sustainable Programming und Datenminimalismus in ein paar Jahren fester Bestandteil des Curriculums in Informatik-Studiengängen und Coding-Akademien sind.